Schon bald nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine zeigen sich die ersten Anzeichen: Russische Restaurants und Läden verlieren Kunden, bekommen negative Internet-Kommentare und zum Teil sogar Drohnachrichten. Konten von Menschen mit russisch klingenden Namen, die seit Jahren in Deutschland leben, werden gesperrt. Russische Künstler werden ausgeladen. Für einige Zeitgenossen scheint „russisch“ plötzlich gleichbedeutend mit „böse“. Dass viele Russinnen und Russen – innerhalb und außerhalb des Landes – den Ukrainekrieg absolut nicht gutheißen, interessiert dabei nicht. Dass Putins Propaganda mit solchen Aktionen gefördert wird, anscheinend noch weniger.
Dabei ist die aktuelle Russo-Phobie leider kein neues Phänomen. Das Bedürfnis nach einem einfachen Weltbild – in dem die Rollen von gut und böse eindeutig verteilt sind – ist weit verbreitet. Das kann sich auf Nationalitäten wie DIE Russen, Deutschen, Türken, usw. beziehen – oder auch auf andere Kategorien wie DIE Frauen, Männer, Kapitalisten, Arbeitslosen, Impfgegner oder -befürworter. Oft werden dabei Einzelerlebnisse verallgemeinert oder – noch schlimmer – bloß Gehörtes übernommen. In der Soziologie nennt man diese Verhaltensweise auch „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“.
Aber was kann jeder von uns ganz persönlich tun, um solches Verhalten zu vermeiden? Vor allem differenzieren, nachfragen, und nicht alles glauben, was man hört und sieht, egal ob in den sozialen Medien oder im Freundes- und Bekanntenkreis. Und glaubt bitte auch nicht alles, was ihr selbst denkt. Überprüft so oft wie möglich eure eigenen Denkmuster und Vorurteile: Stimmt das jetzt wirklich, sind DIE… wirklich so? Im Zweifel für den Angeklagten, lautet ein wichtiger Rechtsgrundsatz. Das sollten wir auch im eigenen Leben so halten.